
„Das ist doch nur Spielerei“, „Das wirst du im Firmenumfeld so nicht finden.“ – Solche oder ähnliche Aussagen habe ich in meiner Laufbahn schon häufiger gehört. Aus meiner Sicht ist ein Homelab jedoch eines der mächtigsten Tools, um in deinem Job richtig gut zu werden.
In diesem Artikel erkläre ich dir, warum ein Homelab so wichtig ist.
Virtualisierung
Fangen wir mit dem Wichtigsten an. In fast jedem Unternehmen wurden die physischen Server über die Jahre durch wenige Hosts mit virtuellen Maschinen ersetzt. Es gibt zwar noch Anwendungen, die besser direkt auf der Hardware laufen, z. B. Datenbanken oder Domain-Controller. Der überwiegende Teil ist jedoch virtuell und läuft auf sogenannten Hypervisoren.
Es gibt zwei Typen von Hypervisoren:
Typ-1-Hypervisoren
Diese laufen direkt auf der Hardware. Die bekanntesten sind:
- VMWare ESXi
- Microsoft Hyper-V
- Citrix Xen
- Proxmox
- bhyve
- KVM
- OpenStack
Hyper-V ist eine Rolle, die auf einem Windows-Server installiert wird. Der Hypervisor arbeitet unter dem Betriebssystem, das nur noch für Managementzwecke dient. Alternativ kann Hyper-V auch auf einem Server Core ohne grafische Oberfläche installiert und von einem anderen Server aus administriert werden. VMWare, Xen und Proxmox basieren auf Linux, während bhyve auf FreeBSD aufbaut.
Alle Hypervisoren können ohne Lizenz getestet werden, allerdings oft mit Einschränkungen. Für ein realistisches Enterprise-Feeling eignet sich Proxmox besonders gut, während bhyve eher für Hardcore-Enthusiasten gedacht ist.
Typ-2-Hypervisoren
Diese laufen auf einem bereits installierten Betriebssystem. Beispiele hierfür sind:
- VMWare Player / Workstation
- Oracle VirtualBox
VMWare Player hatte früher den Nachteil, dass nur eine virtuelle Maschine gleichzeitig laufen konnte. Seit der Übernahme von VMWare durch Broadcom ist die Workstation jedoch kostenlos nutzbar.
Meine Empfehlung: VirtualBox. Manchmal möchte ich einfach nur eine OVA (fertige virtuelle Appliance) importieren – mit KVM müsste ich die virtuelle Festplatte erst umständlich konvertieren. VirtualBox ist zudem plattformübergreifend verfügbar, und mit Vagrant lassen sich Maschinen schnell erstellen.
Pro-Tipp: Wenn du keinen Rechner für Proxmox übrig hast, kannst du Proxmox auch innerhalb von VirtualBox installieren. Dabei hilft „Nested Virtualization“, das an die virtuelle Maschine durchgereicht wird.
In der GUI geht das in den Eigenschaften der virtuellen Maschine unter „System -> Prozessor -> Enable Nested VT-x/AMD-V. Allerdings ist dieser Haken in der grau, wenn du einen Intel Prozessor besitzt. In der Konsole / Terminal / Eingabeaufforderung / Powershell geht das aber auch bei Intel.
vboxmanage modifyvm <vmname> --nested-hw-virt on
Somit kannst du die in aller Ruhe die verschiedenen Technologien anschauen.
Was lernst du hierbei?
Du lernst:
- wie man virtuelle Maschinen anlegt
- wie man virtuelle Festplatten erstellt und zuweist
- Thin / Thick Provisioning
- Speicheranbindung
- Clusteraufbau (z. B. mit Proxmox)
- Netzwerkeinrichtung
Jeder Hersteller hat seine Eigenheiten, aber die Prinzipien sind ähnlich. Kennt man einen Hypervisor, versteht man die anderen schneller. In einem Unternehmen wirst du selten einen Hypervisor von Grund auf einrichten – aber die Grundlagen helfen dir, die Systeme zu warten und zu erweitern.
Netzwerkvirtualisierung
Ein komplettes Netzwerk zu virtualisieren ist zwar aufwändig, aber definitiv machbar. Viele Hersteller bieten virtuelle Maschinen (VMs) ihrer Geräte an, die sich hervorragend für Lernszenarien eignen. Die besten Tools hierfür sind:
GNS3 vs. EVE-NG
Beide Tools können als virtuelle Maschinen installiert werden. Hier die wichtigsten Unterschiede:
Bietet ähnliche Funktionalität wie GNS3, ist jedoch kostenpflichtig.
GNS3
- Kann direkt auf Linux-Systemen installiert werden.
- Unter Windows ist die Installation einer GNS3-VM in VirtualBox erforderlich, da Windows kein KVM unterstützt.
- Unterstützt Docker nativ und ist komplett kostenlos.
- Kann sowohl als Desktop-App als auch im Browser genutzt werden.
EVE-NG
- Läuft komplett im Browser.
- Bietet ähnliche Funktionalität wie GNS3, ist jedoch kostenpflichtig.
Ich selbst nutze hauptsächlich GNS3, da es eine Kombination aus Emulator (KVM/QEMU) und Hypervisor-GUI bietet. Es ermöglicht dir, eine vollständige Netzwerkinfrastruktur aufzubauen und zu testen.
Was kann ich mit Netzwerkvirtualisierung machen?
Kurz gesagt: fast alles. Mit Tools wie GNS3 kannst du eine Umgebung simulieren, die aus einem Domain-Controller, Clients, Cisco- oder Aruba-Switchen und Firewalls besteht. Die Konfiguration der Geräte musst du selbst vornehmen, wodurch du praxisnahes Wissen sammelst.
Typische Anwendungsbeispiele:
- Testen von Änderungen an der Netzwerkinfrastruktur (z. B. VPN-Tunnel oder Firewall-Regeln)
- Entwicklung und Debugging von Automationen für Netzwerkgeräte
- Verstehen von Netzwerktopologien und deren Zusammenhängen
Die einzige Grenze sind die Ressourcen deines PCs und die Einschränkungen der Hersteller-Appliances.
Praktische Tipps aus meiner Erfahrung
Ich nutze Netzwerkvirtualisierung regelmäßig, um Programme oder Automationen für Switche zu testen, die ich in meinem Job einsetze. Auch Konfigurationen wie VPN-Tunnel lassen sich problemlos simulieren.
Ein zusätzlicher Vorteil: Du kannst virtuelle Maschinen außerhalb von GNS3 – z. B. über den virt-manager deines Rechners – in dein Lab einbinden. Das spart Speicherplatz, da die VMs projektbasiert verwaltet werden.
Was nicht geht: Zwei Hypervisoren können nicht zur gleichen Zeit eingesetzt werden. Nutzt du z.B. VirtualBox um dort einen Domänencontroller zu installieren und GNS3 für Clients und Netzwerkhardware gewinnt wer zuerst gestartet ist. Das gleiche Phänomen hast du auch, wenn du unter Windows die Hyper-V Rolle installierst und dann versucht eine Maschine in VirtualBox zu starten.
Für wen ist Netzwerkvirtualisierung geeignet?
Netzwerkvirtualisierung ist ideal, wenn du:
- Zertifizierungen wie CCNA oder CCNP anstrebst.
- Verstehen willst, wie Netzwerke aufgebaut und verbunden sind.
- Tests durchführen möchtest, bevor du Änderungen in einer Liveumgebung machst.
- Dich generell für Netzwerke begeisterst und dein Wissen vertiefen möchtest.
Active Directory
Ein Homelab ist ideal, um typische Aufgaben aus dem Administratorenalltag in einer sicheren Umgebung nachzubauen. Mit einer Evaluationsversion von Microsoft Windows Server kannst du das Active Directory einrichten und in Ruhe erkunden. Die Evaluationslizenz ist 180 Tage nutzbar – ausreichend Zeit, um die wichtigsten Funktionen kennenzulernen.
Zusätzlich lassen sich weitere Dienste wie:
- DNS
- DHCP
- PKI (Public Key Infrastructure)
ebenfalls einrichten und testen.
Falls du Clients anbinden möchtest, kannst du das mit einer Evaluationsversion von Windows 11 realisieren. Diese kann ebenfalls kostenlos getestet werden.
Linux als Alternative: Univention Corporate Server
Für Linux-Nutzer bietet der Univention Corporate Server (UCS) eine einfache Möglichkeit, Active Directory-ähnliche Funktionen zu implementieren. Mit etwas Zeit und Experimentierfreude lässt sich eine ähnliche Umgebung auch ohne All-in-One-Lösung auf nahezu jeder Linux-Distribution aufbauen.
Aber wozu der Aufwand?
Ein Lab aufzubauen braucht Zeit, besonders wenn man versucht, die eigene Arbeitsumgebung nachzubilden. Ist das überhaupt möglich? Nicht immer, zumindest nicht in vollem Umfang. Aber das ist auch gar nicht nötig! Oft reichen schon einfache Setups, um Probleme zu analysieren und zu lösen – besonders im Bereich Netzwerk- und Identity-Access-Management.
Für wen lohnt sich ein Homelab?
Bist du Berufseinsteiger oder jemand, der glaubt, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt? Dann ist ein Homelab genau das Richtige für dich! Es ist eine großartige Möglichkeit, Wissen zu vertiefen, Systeme zu testen und Routine im Umgang mit Technologien zu entwickeln.
Ein Einblick in die Praxis
Aktuell entwickle ich mehrere Tools und arbeite an verschiedenen Rechnern. Natürlich erleichtert GitHub das Arbeiten über Geräte hinweg. Um jedoch jederzeit und von jedem Rechner im Haus aus direkt an den gleichen Projekten arbeiten zu können, habe ich einen Proxmox-Server eingerichtet. Darauf laufen:
- ein Entwicklungsserver
- ein Datenbankserver
- eine Windows- und eine Linux-VM
- ein Kubernetes-Cluster
So habe ich eine zentrale Umgebung für Tests und Entwicklung.
Keep it simple!
Ein Homelab muss nicht immer ein großes Projekt sein. Schon zwei oder drei virtuelle Maschinen in VirtualBox können dir helfen, Herausforderungen zu lösen und Neues zu lernen. Beginne klein – der Mehrwert zeigt sich schneller, als du denkst.
Zertifizierungen
Für Zertifizierungen ist ein Homelab ein Muss. Eine Zertifizierung ohne praktisches Hands-on-Wissen ist wenig wert. Je nach Ziel reicht es nicht aus, nur Material zu lesen oder Videos zu schauen – man muss selbst aktiv werden, Fehler machen und dabei die Systeme wirklich verstehen.
Pro-Tipp:
Um im Berufsalltag gut vorbereitet zu sein, empfehle ich als erste Zertifizierungen:
- Microsoft (z. B. Azure Fundamentals oder MCSA)
- Linux (z. B. LPIC-1)
- Cisco (z. B. CCNA)
Diese Grundlagenzertifikate rüsten dich optimal für den Arbeitsalltag. Weiterführende Zertifizierungen bauen darauf auf und ermöglichen dir, dich in bestimmte Bereiche zu spezialisieren.